µmagnetic Härtemessung

14. Juli 2020 durch

Neue Wege gehen


In Zeiten von Corona ist das nicht einfach. Qass hat die verordnete Zwangspause genutzt, um bereits beschrittene Wege zu Ende zu gehen und wegweisende Neuerungen in seiner Datenanalyse einzuführen. Dabei stehen die Anwender und die Anwendbarkeit durch optimale Anpassbarkeit in den Vordergrund unserer Entwicklung. Auch das Thema Härtemessung mit der Qass-Mikromagnetik war Teil dieser Innovationsoffensive.

Die Härte wird in der industriellen Fertigung zur Bewertung der Qualität von Oberflächen genutzt, um den Grad der Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Eindringen von anderen Materialien zu bestimmen. Daraus ableiten lassen sich Werkstoffeigenschaften wie Festigkeit und Verschleißverhalten. Für die Härtemessung werden chargenweise Bauteile oder Schliffe in Laboren unter Härteprüfern mit Angabe eines Skalenwertes untersucht. Dabei dringt ein Prüfkörper in den Werkstoff ein und es wird die geometrisch abhängige Werkstoffreaktion meist Tiefe/Durchmesser des erzeugten Loches oder die Materialaufwerfung bewertet. Gängige Härteverfahren sind Vickers, Brinell oder Rockwell, die jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Form und Material des Prüfkörpers stellen. Eine 100% Härteprüfung jedes Bauteils scheitert am Zeitaufwand der Messung. Weitere Nachteile liegen in der unzureichenden Statistik über den Härtegrad bei meist maximal nur fünf Härteeindrücken in naher Positionierung zueinander und der Limitierung auf eine geringe Fläche, was die Charakterisierung von Härteverläufen auf Bauteilen nicht zulässt.

Definition Barkhausen-Rauschen


Die Härtung von Stahl ist abhängig vom Kohlenstoffgehalt und der erzielten Wärmebehandlung. Es wird ein spezielles Härtungsgefüge und, wenn durch den Einsatzzweck notwendig, ein Anlassgefüge erzeugt. Im Vergleich mit dem normalen Ausgangszustand ändern sich beim Härten bzw. Anlassen nicht nur die Härte und andere Werkstoffeigenschaften, sondern auch die magnetischen Eigenschaften. Eine magnetische Eigenschaft, die direkt mit der Härte verknüpft ist, ist die zeitabhängige Magnetisierbarkeit eines Werkstoffes. Dabei wird von hartmagnetischen und weichmagnetischen Werkstoffen -respektive Kreisen- gesprochen. Wird ein äußeres magnetisches Wechselfeld an einen Werkstoff angelegt und kontinuierlich gesteigert benötigen hartmagnetische Werkstoffe im Gegensatz zu weichmagnetischen Werkstoffen mehr Zeit um in eine Sättigung, eine vollständige Magnetisierung des Werkstoffs, zu gelangen. Währenddessen verändert sich die magnetische Struktur in Werkstoffen mit sprunghaften Veränderungen. Diese Veränderungen sind mit Spulen messbar und erzeugen induktive Ströme. Dieser Effekt wird Barkhausen-Rauschen genannt.

Analyse mit der QASS-Methodik


Seit 2001 ist Qass Experte für Datenanalytik und unsere Methoden haben wir mit dem Barkhausen-Rauschen (BHN) verknüpft. Einzigartig ist die Kombination der Detektion des BHN und der Spektralanalyse. Damit entsteht eine neue, bislang nicht vollständig erforschte Betrachtung der BHN-Signale und deren Anwendungen im industriellen Umfeld. Durch die Anwendung von adaptiven elektronischen Filtern erzeugen wir eine bislang nicht mit dem BHN verknüpfte Prozessstabilität auch unter rauen Umweltbedingungen. Störende Einflüsse, welche die Übertragung aus der Laboranwendung in die Fertigung bislang erschwerten, werden so beseitigt. Damit sinkt auch der Anlernaufwand. Durch eigene als auch fremde Forschungsergebnisse können wir zeigen, dass hartmagnetische Kreise auch mit harten Werkstoffen und weichmagnetische Kreise mit weichen Werkstoffen korrelieren. Der maßgebliche Zusammenhang ist der Anteil und Lage des Kohlenstoffs im Gitter des Werkstoffs. Dabei lassen sich die etablierten Härteverfahren mit ihrer Skalendarstellung auf die Qass Mikromagnetik übertragen. Bereits durch zwei Wärmebehandlungszustände des gleichen Werkstoffs lässt sich ein linearer Zusammenhang zwischen der ermittelten Amplitude der Spektraldaten und der Härte feststellen und mit den ebenso linear zusammenhängenden Härtewerten des jeweiligen Härteverfahrens verknüpfen. Es ist zu beachten, dass die Methodik statistisch signifikante und wiederholbare Ergebnisse liefert, da die Magnetisierung des Werkstoffs bei Frequenzen meist größer 100 Hz stattfindet und damit 50 Ummagnetisierungen pro Sekunde stattfinden. Dabei wird das Volumen betrachtet, dass sich zwischen dem zur äußeren Anregung verwendeten Elektromagneten befindet und nicht allein der singuläre Punkt.

Spezielle Möglichkeiten der Anpassung


Es existieren Java-Skript und Python-Skript Operatoren, die jeweils die Stärken der jeweiligen Programmiersprache zulassen. Während Java-Skript sich objektorientiert und wirklichkeitsnah programmieren lässt, ist Python eher aspektorientiert und funktional und lässt die Einbindung von Bibliotheken wie z. B. TensorFlow zu. Damit wird das Messgerät um die Fähigkeit des maschinellen Lernens anhand realer Sensordaten erweitert. Die praktischen Vorteile liegen auf der Hand. Brauchte QASS in der Vergangenheit Monate bis eine neue Applikation fertig für den jeweiligen Anwendungsfall programmiert war, gelingt dies nun innerhalb von wenigen Tagen. Durch die schnelle und saubere Anpassung auf die sensor- und datentechnischen Inhalte des Produktionsprozesses entstehen so in kurzer Zeit immer mehr Applikationen für das Universalmessgerät Optimizer4D.

Dabei können die grafischen Elemente des Corporate Design verwendet werden, was die zweite Ebene der adaptiven Auswertung darstellt. Unter dem Namen PenGUI lassen sich grafische Elemente erstellen, die einen erleichterten Zugriff auf die teilweise komplexe erste Auswerteebene zulassen. Dabei ist es dem Anwender überlassen, welche Elemente er kreiert. QASS hat viel Wert auf den vereinfachten Zugang zu komplexer Messtechnik gelegt, damit die Daten verstanden und nicht erst interpretiert werden müssen.

Verbesserung der Anwendbarkeit und Anpassbarkeit


Die Messung funktioniert kontaktlos. Wichtig ist der gleiche Abstand zur Bewertung der Härte zwischen zwei Bauteilen. Um Messungen zu automatisieren geht Qass moderne Wege. Wir verknüpfen die Qass-Mikromagnetik mit kollaborierenden Robotern und Linearachsenantrieben, führen Sensorfusionen durch und erleichtern den Zugang zur Interpretation der Messwerte.

Bei der Bestimmung der Härte ist die Ausrichtung des Magnetfeldes und Abstand zum Material entscheidend für die Güte der Messung. Daher haben wir die Sensoren der Qass-Mikromagnetik mit Laserpunkt-Abstand-Sensoren und Laserlinien-Scannern kombiniert. Bei Abweichungen vom Werkstück berechnen Algorithmen trotzdem den korrekten Härtewert. Um der konsequenten Industrieautomation Rechnung zu tragen, wird das fusionierte System mit kollaborierenden Robotern oder Linearachsantrieben ergänzt. Daraus entsteht eine vollkommen neue Klasse zur automatisierten Härteprüfung mit Integrationsmöglichkeiten in die Produktion zur 100 % Prüfung von Bauteilen. Ein besonderes Projekt stellt dazu das Produkt Zelos dar, mit dem Dichteunterschiede im Bauteil reproduzierbar magnetisch bestimmt werden. Auch hier liegen die Vorteile in der besseren Statistik der Werte.

Dabei nutzen wir zwei Ebenen der Datenanalyse. Die erste Ebene beschäftigt sich konsequent mit der Berechnung der Daten. Die zweite Ebene greift auf die berechneten Daten zu und visualisiert die Daten verständlich und kann auch die Messungen steuern.

Die erste Ebene der Datenanalyse läuft auf Basis des Qass Operatoren-Modells. Ein Operator ist ein Logikbaustein mit einer bestimmten Funktion in einem Datenflussmodell. Die erste Klasse von Operatoren stellen den Zugriff auf die Grundfunktionen des Messsystems wie Datenstrom oder Zeitsignal dar. Die zweite Klasse führen die eigentliche Datenanalyse durch. Kernstück ist die spektrale Mustererkennung mit der referenzierbare Objekte aus den Spektraldaten in neuen Datenströmen gesucht werden können. Die dritte Klasse dient der Maschinenkommunikation, Datenweiterleitung oder Anzeige von Daten. Derzeit existiert eine Vielzahl von Operatoren, die in C++ programmiert werden und eine schnelle Adaption auf verschiedene Messaufgaben zulassen. Eine neue und eigene Klasse von Operatoren stellen die Skript-Operatoren dar. Durch die Verwendung bekannter Skript Sprachen u.a. Java und Python können eigene Programme in den Datenfluss implementiert werden. Die Operatoren funktionieren wie eine eigene Schnittstelle und lassen die Fähigkeiten des Messsystem zur adaptiven Implementierung für verschiedene Anforderungen dynamisch wachsen. Besonders Python ist mit einzubindenden Bibliotheken und Programmbestandteilen des maschinellen Lernens besonders interessant.

Die zweite Ebene wird Qass PenGUI genannt. Mit Hilfe der Skriptsprache QML können Oberflächen speziell für den eigenen Anwendungszweck erstellt werden. Der Anwender stellt seine Benutzeroberfläche einfach selbst zusammen und kann dabei sogar das eigene Corporate Design verwenden. Die Messaufgaben und Datenanalyse laufen im Hintergrund trotzdem weiter.

Dies hat natürlich auch Auswirkungen auf unsere Arbeitsweise, die sich zukünftig auf die Zusammenstellung von Projektteams ausrichtet, welche die Anwenderanforderungen bestmöglich umsetzen. Die Geschwindigkeit mit der Qass neue Entwicklungen umsetzt wird sich von Monaten auf Tage verkürzen.


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